Freitag, Oktober 26, 2007

mit auf's und ab's zu groessten tief und darueber hinaus

SUCRE - TARABUCO - PRESTO - ZUDAÑEZ - PUCARA - CAMINO DEL CHÉ - VALLE GRANDE - SAMAIPATA - COCHABAMBA

es gibt tage, die man lieber schnell vergisst. weil solche tage meist mit ganz besonderen begebenheiten einhergehen, bleiben die versuche, sie aus seinem gedaechtsnis zu streichen, aber meist erfolgslos. der mit abstand "beschissenste" tag unserer radreise war der folgende:

angefangen hat alles wunderbar: wir hatten am vorabend, nach einer endlosen abfahrt in das tal des rio grande einen schoenen platz zum campen gefunden, direkt an einem klaren fluss, etwas versteckt - nur die temperaturen waren zu heiss und tropisch. der bach brachte ein wenig abkuehlung und wir konnten staub und schweiss des tages abwaschen. wir wussten von unserer karte, dass wir den rio grande ueberqueren mussten, dazu fehlten nurnoch ein paar hoehenmeter. insgesamt mussten wir 1500m abfahren und spaeter wieder hochklettern. wegen des bevorstehenden aufstiegs und der zu erwartenden hitze entschlossen wir uns, die etappe noch in den dunklen, frischen morgenstunden anzugehen.

wider erwartend zog sich die abfahrt: es ging viele km weiter, immer rauf und runter. sehr angenehm in der kuehle des morgens, jedoch unerwartet und daher stoerend. so erreicht wir erst gegen 10 uhr den fluss, doch nirgends war eine bruecke oder aehnliches zu sehen. weiter ging es immer am fluss entlang... das thermometer kletterte schon auf ueber 40 grad und unsere hoffnung, nun endlich die noerdliche uferseite erreichen zu koennen, wurden nach jeder kurve erneut vernichtet. der rio grande, der grosse fluss, hielt nicht mal annaehernd, was der name versprach. die letzten monate vor dem einsetzen der regenzeit sind furztrocken und der fluss war nur eine gelb- braune bruehe. die luft flimmerte vor hitze, um kurz vor 11 uhr zeigte das thermometer 47 grad. einfach zu heiss - zu trocken - schweiss bildete sich nicht mehr sichtbar, wahrscheinlich vertrocknete er umgehend nach dem austreten. wir selber fuehlten uns anders, komisch und stumpf.

dann eine bruecke in sichtweite, endlich! im letzten ort war uns erzahlt worden, dass es fischer gaebe, die am fluss leben. alles was wir sahen, waren auf jeder seite ein jeweils sehr verlassen aussehendes haeuschen. all unsere hoffnungen, hier unsere wasservorraete auffuellen zu koennen, hatten wir auf die fischer und den klangvollen rio grande gelegt. in einem haus zeigte sich leben: hunde bellten und ein krudes maennlein zeigte sein gesicht. ja er koenne uns wasser geben. puh, so ein glueck! er muesse sein wasser von weit her holen, sagte er, so koenne er uns nur etwa 3 liter abgeben. wir konnten ihm im tausch zumindest eine banane und schon getrocknete coca-blaetter anbieten. weil wir, seit wir bolivien betreten haben, mehrfach an magendarm- geschichten litten, kaufen wir nur noch wasser oder filter es! so auch diesesmal, zudem dieses wasser einer leicht cafè- farbenen bruehe aehnelte.

als wenn die hitze nicht schon genug uebel verursachte, kamen jetzt auch noch kleine fliegen hinzu. durch das wasserfiltern waren wir beide ordentlich ins schwitzen geraten. die fliegen flogen darauf: voellig von sinnen stuerzten sich unzaehlige "schweissfliegen" auf arme, gesicht, ohrloecher und jedes fleckchen haut, um sich an unserem transpierten zu laben. das krude maennlein war froh ueber das ungewoehnlich spektakel und schaute uns interessiert zu.

jeder von uns verschlang etwas von dem frischen nass und wir starteten die auffahrt. nachdem wir bei der abfahrt unseren ersten wald seut langer zeit durchfahren hatten waren wir ueberrascht, wie trocken die andere uferseite war. das thermometer blieb stoisch auf 47 grad, grillen zirpten in ohrenbeteubenden tonlagen. die sonne stand im zenit, fuer uns sonnenempfindeliche hiess das pausenzeit. jedoch war es mit diesen fliegen unmoeglich sich auszuruhen, geschweige denn zu essen. als ausweg kam uns nur das moskitonetz in den sinn und siehe da, irgendwie liess es sich zwischen baeumen und raedern aufhaengen und verfehlte seinen zweck nicht. wie schoen, ungestoert essen und doesen zu koennen!

beide zoegerten wir den aufbruch hinaus. was erwarete uns denn schon: 1500m steigung, kein wasser und fliegen, sobald wir das moskitonetz entfernen. aber welche wahl hatten wir schon? schnell packten wir alles zusammen. wenn man am berg eine zuegige geschwindigkeit erreichen konnte, waren die fliegen sogar abzuhaengen, wenn man stehenblieb, waren sie aber sofort wieder bei einem. unsere wasservorraete beschraenkten sich auf jeweils einen liter wasser, dieser hatte sich der umgebungstemperatur angepasst und war warm wie tee! verfluchte scheiss- idee! warum hatten wir diesen weg ausgewaehlt? warum hatten wir uns nicht besser informiert? jeder von uns hing seinen gedanken nach. es war einfach zu heiss und koeper und geist waren wie in watte gepackt, muede und traege. unabhaenig von einander faellten wir langsam den entschluss, dass wir umkehren muessen: zurueck ueber die bruecke und 20 km bis zum naechsten klaren bach radeln, um zumindest unsere wasservorraete den bedinungen anpassen zu koennen. doch - was ist das? das hoert sich an wie ein brummen - motorgeraeusche? ist das ein auto? kann uns das mitnehmen? wow, das ist sogar ein minibus! uns war den ganzen tag noch kein auto begegnet. der fahrer schien unsere gedanken zu lesen und bat uns, fuer einen umkostenbeitrag, eine mitfahrgelegenheit an. wir jauchzten ein "ja gerne" und packten die raeder und taschen auf den dachgepaecktraeger und schon waren wir unterwegs. die steigung machte auch dem minibus zu schaffen, nach der haelfte kochte der motot ueber und wir mussten dem bus zu liebe ein paeuschen einlegen. uns war das voellig egal.

zufrienden kamen wir in pucara an. die temperaturen waren wegen der hoehe von 2500m angenehm kuehl. der ort wirkte verschlafen und gemuetlich, er war sehr typisch mit schoenen alten haeusern mit tonziegeldaechern. verwunderlich war, dass die bewohner alle in spanisch miteinander komunizierten. fuer die meisten bewohner der hochebenen von bolivien sind die traditionellen sprachen, meist quechua, weiter im norden aymara, muttersprache. viele aeltere leute haben hemmungen und schwierigkeiten ueberhaupt spanisch zu sprechen.

wir tranken limonade, malzbier, wasser - was wir so an fluessigen finden konnten, bevor wir uns 'ne unterkunft suchten und duschten. damit war der bisher schlimmste, von ein paar schlimmen tagen, erfolgreich ueberstanden. doch eigentlich gehoert sowas dazu und macht in gewisser weise das abenteuer und den reiz aus, doch trotzdem koennte man getrost darauf verzichten!

wie hatten wir es denn eigentlich bis hier geschafft? ach ja bevor wir die region erreichten, waren wir schon ein paar tage von sucre unterwegs. in sucre waren wir mit einem mitarbeiter von der organisation CESATCH in die region geradelt, in der sie arbeiten. ein fahrradtag von sucre entfernt liegt tarabuco, das breuehmt ist fuer seinen bunten sehr urspruenglichen sonntagsmark, zu dem vielen menschen aus den umliegenden gemeinden kommen. uber den besuch des marktes und die weiteren tage in der proektregion von CESATCH koennt ihr unter radeln fuer vielfalt mehr finden -mit einem bericht und tollen fotos!

durch den besuch befanden wir uns auf umwegen und genossen die laendlichen regionen, wo sich selten mal ein radreisender blicken laesst. es gab begegnungen, bei denen wir angeschaut wurden, als waeren wir von einem anderen stern. wir kamen durch kleine doerfer und fuhren auf einsamen pisten mit weing verkehr. nachts war es immer schwer einen ruhigen etwas geschuetzten zeltplatz zu finden. bolivien hat nur 9 millionen einwohner und ist um ein vielfaches groesser als deutschland. man sollte meinen, bei der duennen besiedlung finde man immer ein schmuckes, ruhiges plaetzchen fuer die nacht. ein trugschluss, selbst wenn wir glaubten endlich etwas einsames gefunden zu haben, kam immer wieder ein fussgaenger vorbei der eine abkuerzung nahm und uns freundlich gruesste.

mit der ankunft in pucara hatten wir die attraktion der gegend ueberraschenderweise schon hinter uns gelassen. in la huiguera, war vor ziemlich genau 40 jahren ernesto che guevara gefangen, standrechtlich erschossen und begraben worden. ende der 90er jahre verriet ein beteiligter militaer den ort seiner beerdigung und so wurden die ueberreste ausgegraben und nach cuba geflogen. um in der region etwas tourismus anzusiedeln wird verstaerkt mit dem camino del che geworben. damit werden orte verbunden die che guevara waerend seiner guerillero- zeit in bolivien besuchte. uns fehlte leider der bezug zu dieser historischen figur und daher entschieden wir uns dagengen, dem ort einen besuch abzustatten.

der naechste tag begann mit einer ueberraschung: als wir mit den raedern auf die strasse traten gesellte sich schnell ein hund zu uns, der sich so freute uns zu sehen, als waeren wir seine lange vermissten herrchen. er folgte uns aus dem ort und rannte neben uns her, als wuerde er das schon sein lebenlang machen. wir entfernten uns immer mehr von pucara, doch der mittelgrosse weiss- beige- schwarze hund liess sich nicht beirren und kam mit. wir hatten schon vorher immer mit dem gedanken gespielt, wie denn unsere radreise mit hund funktionieren koennte. wir hatten im internet nach aehnlich reisenden gesucht uns ueber kosten fuer einen anhaenger informiert, damals waren wir in temuco und hatten und schlussendlich doch dagegen entscheiden, weil der hund noch so jung war. aber dieser hier machte den eindruck, als waeren wir genau das, auf was er gewartet hatte und auch wir bekamen langsam den selben eindruck. an jeder pfuetze machten wir halt, damit er seinen durst stillen konnnte. nach 20km hatte er dann auch einen namen: doñ ernesto raketa. ernesto wegen des bruehmten che und raketa, weile er schnell und aussdauernd neben uns herlief. wir passten uns doñ ernesto raketa mit tempo und pausen an, ueberlegent uns, welche moeglichkeiten wir denn mit ihm haben wuerden und beschlossen, wenn er es bis zu unserem naechsten ziel samaipata schaffe, flohshampoo zu kaufen und einen anhaenger zu bauen, auf dem er uns immer begleiten solle.

die strecke war wunderschoen. es ging auf und ab durch huegelige und mit grass bewachsene landschaft. einziges manko war die etwas diesige sicht, die wir schon seit tagen hatten. ernesto schien das radlerleben zu gefallen und uns zu moegen, immer wenn einer von uns zurueck blieb, wartete er auf den einen oder die andere. nach 30km und einer ziemlich langen abfahrt wirkte doñ raketa zusehends mueder. noch nie sind wir eine abfahrt so ruecksichtsvoll und langsam gefahren, muss man dazu sagen. als wir uns vallegrande und damit der zivilisation naeherten, war von der vorherigen muedigkeit keine spur mehr und der hund trabte zufrieden und stolz an den hunden der angrenzenden hauser vorbei. es schien, als haette er ein kleines grinsen auf den lippen, nach dem motto: wenn ihr nur wuesstet wo ich herkomme!

in vallegrande stockten wir vorraete und wasser auf - den hund in die planungen fuer abendbrot mit einbezogen. er sorgte fuer belustigung auf dem plaza, wo britta mit ihm wartete. zufrieden lag er im schatten unserer raeder und ruhte sich aus. auf unserer karte sah es so aus, als gaebe es eine kleine nebenstrasse nach samaipata, jedoch schien die keiner zu kennen, ausser unsere karte. schliesslich fragten wir bei einer touristeninformation. simon und ein mitarbeiter betrachteten gerade diverse landkarten als eine "gringa" (so werden alle, die irgendwie nach us- amerikaner oder europaer aussehen, genannt) unvermittelt: that's my dog!?! my god, what is he doing here??? i left him behind in pucara!!! doñ ernesto raketa rannte freudig springend zu ihr und es war klar: this is her dog! die geschichte war die: sie arbeitet als freiwillige peacecorps- mitarbeiterin in pucara und hatte sich dem hund angenommen. nach ein paar mahnenden worten an den hund und der geschichte seines tages war sie auch schon mitsamt hund - unserem hund (!) - verschwunden. wir beide blieben ziemlich verstoert zurueck, denn doñ ernesto raketa hatte schon einen platz in unseren herzen erobert. schade.

vallegrande ist die hauptstadt des camino del che. hier ist ein museum und hier sollte in den kommenden tagen auch der 40. todestag mit evo morales und deligationen aus cuba gefeiert werden. wir verbrachten die nacht auf dem fuer das treffen vorgesehenen campingplatz (der erste offizielle campingplatz in bolivien!)und zogen es vor am naechten morgen weiter nach samaipata zu fahren.

die fehleden ca. 100 km wollten wir an einem tag schaffen. ohne hund ging das alles viel schneller. die strecke fuehrte uns durch ein angenehmes tal. als wir dann, kurz vor dem ziel, eine kleine pause machten und fragten wie weit es noch bis samaipata sei, fielen wir aus allen wolken: 20km mehr als unsere karte angab, zudem noch eine kleine steigung vor dem ort. die karte hatte schon immer kleine fehler, aber in den letzten etappen war sie mehr als ungenau geworden. aus der kleinen steigung wurde etwas endloses und erst nach einbruch der dunkelheit erreichten wir den ort. in unseren reiseaufzeichnungen konnte ein neuer rekord verbucht werden. die raeder hatten sich mehr als 8 stunden gedreht und damit war unsere laengster radtag geschafft.

samaipata ist durch einen von vielen kulturen benutzten und verehrte ruine bekannt geworden, das fuerte de samaipata. selbst erich von daeniken hat wilde spekulationen ueber diesen ort angestellt. wir haben eher das milde klima und die schoene landschaft an dem ort genossen und den obligatorischen besuch der zerimoniellen ruine mit einem wunderschoenen bad in einem fluss in der naehe verbunden. die landschaft der umgebung ist sehr schoen. durch das mild- temperierte klima wachsen ueberall auf kleinen huegeln und bergen baueme, alles ist gruen und strozt vor vielfalt. in samaipata haben viele auslaender touristisches potenzial gewittert und schoene oder weniger schoene backpacker- hostels eroeffnet. zudem gibt es eine schweizer und eine ungarische baeckerei, die lange vermisstes vollkornbrot anbieten. dieses brot mit dem ebenso raren kaese tipo greyer, der hier von der schweizer Kaeserei produziert wird, ist ein traum fuer uns freunde des guten kaeses.

gestaerkt und sehr erholt, traten wir die letzten 400km bis nach cochabamba an. wir entschieden uns die alte route zu fahren: die strasse santa cruz - samaipata - cochabamba wurde erst vor wenigen jahren fast komplett asphaltiert. wenig spaeter wurde eine neue, weniger beschwerliche strasse durchs tiefland von cochabamba zur bolivianischen wirtschaftsmetropole santa cruz gebaut. fuer uns ein traum, asphalt und doch wenig auto- und lkw- verkehr!

die zahllosen taeler die wir kreuzten, hiessen fuer uns radfahrer hoch und runter. ein teil der strasse ist ohne aspahlt und die strassenverhaeltnisse sind sehr schlecht, was dieses auf und ab noch beschwerlicher machte. doch dieses zeigte uns auch enorme abwechslungen der vegetation: an einem morgen fuhren wir mitten in der trockenen kaktuswueste los und endeten, nach einer satten steigung, hoch oben im nebelwald. da wo nebel ist, ist auch wald, der durch die mit mosen bewachsenen baeume sehr mystisch anmutet und die strecke gepenstisch macht. nach einigen kilometern und sogar regen(!) durchbrachen wir den nebel und schoenster warmer sonnenschein mit neuen schluchten und taelern erwartete uns.

die fluesse der taeler bilden die lebensadern der menschen. die regionen, die wir kreuzten, wurden meist landwirtschaftlich genutzt und die ersten kartoffeln wurden geerntet. sobald wir uns cochabamba naehrten, kamen auch sonnenverwoehnte fruechte hinzu und wir konnten die ersten pfirsiche geniessen. den letzten radeltag verbrachten wir zu dritt: grant aus australien hatte uns eingeholt und wir tauschten fahrradreisegeschichten aus. die strasse war asphaltiert und es ging ueberwiegend bergab und so erreichten wir cochabamba schon am mittag. der ort ist lateinamerika- weit fuer seinen riesen markt bekannt: die cancha, sie verteilt sich auf ein ganzes stadtviertel und sortiert nach kaufgegenstand gibt es alles was man braucht. wir kamen an einem samstag an, dem groessten marktag, und landeten auch noch im unglaublichen gewuehl der cancha. nach den letzten tagen in beschaulicher abgeschiedenheit, ein kulturschock erster guete. gemeinsam genossen wir noch ein abschiedseis und trafen zufaellig unsere cochabambiner gastgeber.

schon 2 wochen sind wir hier, geniessen das familienleben bei den borries mit wochenendausfluegen, regelmaessigen mahlzeiten, backen und kochen, kinderspiel, basteln, musik, kino, abendlichen gespraechen und vielem mehr. wir reparieren und lassen reparieren: fahrraeder, hosen, zaehne - alles brauchte dringend eine wartung. wir laden unsere baterien fuer neue etappen auf. im terre des hommes andenbuero schreiben wir berichte und sortieren fotos. zudem gibt es viele projektpartner in der region, die wir besuchen ... der vielfalt wegen, ihr wisst schon!

die dazugehoerigen bilder!

sucre - tarabuco - vallegrande - samaipata - cochabamba